
Ja, manchmal möchte ich in meinen Vorurteilen bestätigt werden, aber bitte glauben Sie mir: Nicht, wenn es um den Wiener Tatort geht. Hab ich nicht neulich erst eine Kritik zum letzten dortigen Tatort geschrieben, der leider ein bisschen untertourig lief? Na, ich befürchte, das war bei GIER, der heutigen Episode aus Wien, ebenfalls Tatbestand.

Eine junge Frau (übrigens Emily Cox, die offenbar gerade zum Tatortstar avanciert, wann wird sie zur Kommissarin befördert?) erleidet einen tödlichen Unfall in einer Chemiefabrik; sie wird verätzt, weil ihr Schutzanzug minderwertig war. Die (moralisch) Schuldige ist relativ schnell ausfindig gemacht: Die Geschäftsführerin der Schutzanzugsfirma, die in Indien produzieren lässt und die Preise gedrückt hat, so dass sie möglichst hohe Profite einfährt. Dann wird ihr Geliebter und Kompagnon ermordet, und der Verdacht fällt ebenfalls auf Frau Magister Wendler – nur dass sich am Ende herausstellt, dass nicht sie, sondern ihr vermeintlich unschuldig in forensischer Haft sitzender Mann der Drahtzieher hinter dem Mord ist. Während also die Wendlerin durchaus aus Gier gehandelt hat, ist der eigentliche Mordfall dieses Tatorts keineswegs aus diesem Motiv heraus geschehen, sondern aus einer Melange aus Rache, Hass, Treue (denn die Täterin war die alte Sekretärin von Herrn Wendler). Im Gegenteil, die Magisterin wird am Ende beinahe rehabilitiert, denn sie hat ja das Geld verdient, das ihr irrer Mann vor seiner Einweisung aus dem Fenster geworfen hat – und sie wird am Ende von ihm umgebracht.

So bleibt alles indirekt, gefiltert, angefressen. Die Tatsache, dass das Tempo wie oben erwähnt nicht unbedingt deutschen Sehgewohnheiten entspricht, tut sein übriges, um GIER zu einer etwas lätscherten Angelegenheit zu machen. Ein deutlicher Lichtblick war Anian Zollner als Peter Wendler. Der feine Grat zwischen einem kultivierten Gentleman und einem kinskischen Irren ist ihm ausgesprochen gut gelungen; gern hätte ich mehr Szenen mit ihm gesehen. Auf der Negativseite muss ich leider noch die plötzlichen Gestaltungsausbrüche der Regie (Robert Dornhelm) bzw. der Montage erwähnen: Ohne Not werden an drei Stellen des ansonsten ganz konventionell geschnittenen Tatort plötzlich Split-Screens eingebaut, die weder der Geschichte noch der Ästhetik entsprechen und nirgendwohin führen. Aufgesetzt und manieriert wirken sie, als sollte ein etwas lahmer Tatort nachträglich aufgepeppt und mit Dynamik versehen werden, was schief geht.
Anwendungsgebiete: Erhöhte Magensäure.