
Die größten Geschenke fliegen uns oft zu, ohne sich anzukündigen. Eine meiner Lieblings-CDs schlich sich völlig unaufdringlich bei einem englischen Newsagent in mein Blickfeld, wo ich sie für fünf Pfund gekauft habe. Auch wenn das skandalös wenig ist, und ich bis heute den Verdacht habe, dass es sich dabei um Produktpiraterie handeln könnte, was aber irgendwie sehr gut passen würde – es waren hervorragend investierte fünf Pfund, denn es handelt sich um die Compilation THE BEST OF GILBERT AND SULLIVAN. Für diejenigen unter Ihnen, die keine eingefleischten Operettenfans sind, klingelt bei diesen Namen unter Umständen nichts bei Ihnen, deshalb zur Erläuterung: Das Gespann aus dem Komponisten Arthur Sullivan und dem Schriftsteller William Schwenck Gilbert ist in Großbritannien und Nordamerika eine kulturelle Institution. Zusammen komponierten 14 komische Opern, die teilweise sagenhaft erfolgreich waren und es bis heute sind – aber im deutschsprachigen Raum werden sie beklagenswert selten aufgeführt, am ehesten sieht man noch DER MIKADO auf den Spielplänen. Aber bevor ich lange theoretisiere, hier ein Häppchen aus dem Klassiker HMS PINAFORE:

Und kaum hat er seine gallante Mannschaft auf diese unnachahmliche Weise begrüßt, holt er auch schon aus, um sich vorzustellen: „I am the Captain of the Pinafore,“ singt er, und weist neben seinen vielen Verdiensten als Gentleman darauf hin, dass er kaum je seekrank ist. Bemerkenswert, diese englischen Kapitäne. Und diese Höflichkeit! Wir können wahrscheinlich davon ausgehen, dass sie die Royal Navy zu dem gemacht hat, was sie damals war. Denn was sie heute ist, darüber decken wir den Mantel des Schweigens. Etwas später in dieser Oper gibt es übrigens die wunderbare Nummer A BRITISH TAR (die leider auf meiner CD nicht drauf ist). Dieses Quartett, das es immerhin in den Star Trek Film Nummer IX geschafft hat (da singen Captain Picard und der im Tilt befindliche Commander Data das Stück), behandelt analog zu den Qualitäten des Kapitäns die des englischen Matrosen an sich („Tar“ heißt eigentlich „Teer“ und steht für den Geruch, den die Seeleute auf Grund ihrer Anwesenheit auf den mit Teer abgedichteten Seglern verströmen). Zu diesen gehören Zutaten wie eine „energische Faust“, „flammende Wangen“ und „feurige Augen“ sowie die ständige Bereitschaft, jemand anderen niederzuschlagen. Das waren noch Zeiten. Der Kapitän hatte ein Gentleman zu sein, und die Matrosen in Haudraufs.
For he himself has said it,
And it’s greatly to his credit,
That he is an Englishman!
For he might have been a Roosian,
A French, or Turk, or Proosian,
Or perhaps Itali-an!
But in spite of all temptations
To belong to other nations,
He remains an Englishman!
Anwendungsgebiete: Tinnitus
Einnahme: Wenn Ihnen die Ohren von Abendlandsparolen klingeln, dann kurieren Sie sie mit einer Portion Nonsense und lauschen Sie so lange zu Gilbert & Sullivan, bis Sie mitsingen können.
Lieber Michael,
Was für eine erfreuliche und erbauliche Lektüre am Abend eines ziemlich irren Tages …
Viele Grüße und Dir alles Gute
Gisela